Es scheint zu den Gesetzen der postdemokratischen Politik zu gehören. Die Inszenierungen müssen stemmen, was die Politik selbst nicht bringt. Für solche Zwecke erfand die alleinseligmachende Kirche die Idee der Heiligkeit. Vergessen wir auch nicht das Bild der Jungfrau. Die Unfehlbarkeit kam erst in die Welt, als Zweifel wuchsen.
So macht es nun auch die SPD. Bei Günther Jauch diskutierte eine seltsame, Ehrfurcht, Distanz und Schauder erzeugende Gruppe überwiegend sehr alter Herrschaften, die sogar noch Witze erinnerten, die über sie in Verkehr gebracht wurden, als sie noch als Generale (u.ä.) arbeiteten. Opi & Paste. Das Lachen gefror zur Grimasse.
Es war eine peinigende Hagiographie, die man stückweise von Opi zu Opi zusammentrug. Die Enkelin vom Dienst übernahm die Rolle der angeheirateten Unschuld aus Herne.
Ein Augenblick der Wahrheit entstand nur, wenn die Kameras die Distanz-Asanas von Peter Brandt einfingen. Sie trugen die Signatur seines Vaters, nur leicht nach links oder rechts verzogen, als bleibe ihm die autoritätsgebietende Vertikalspannung des Vaters auf Dauer erspart.
Dass Willy Brandt eines Tages 100 Jahre alt würde (noch ist es nicht so weit), ist unvermeidlich. Was Günther Jauch unter Beihilfe durch Egon Bahr (gestern der einzige Greis mit funktionierender politischer Erinnerung, großartig, wie er die bellende Liebesbezeugung Herbert Wehners nachahmte. Note to myself: Such die Augenblicke, in denen Parteisoldaten von Liebe sprechen), Heiner Geißler, Uli Wickert, Peter Brandt und durch die MdB aus Bochum-Herne II zusammentrug, war der vergebliche Versuch, Verfahrensroutinen der katholischen Kirche auf die deutsche Sozialdemokratie zu übertragen.
Sie hat es offenbar nötig. Wies aussieht, wird der Koalitionsvertrag keine nennenswerte Kurskorrektur der deutschen Europapolitik enthalten. Die Freunde aus der Sozialistischen Internationale wissen, was sie an ihren deutschen Genossen haben. Am Martinstag essen die Gänse und teilen einen zeltartigen Mantel, dessen Reste die Blöße des europäischen Versäumnisses nicht bedecken können.
Willy Brandt war kein Heiliger. Ich empfehle den Nachgeborenen nachzulesen, was Brandt in seiner Autobiographie über Julius Leber geschrieben hat. Da ist alles nachzulesen, was über große Politiker zu wissen ist. Sie haben Ideen. Sie gingen krumme Leidenswege. Sie wurden vielfach gehäutet. Vergleichbare Figuren sind in unserer heutigen Sozialdemokratie nicht in Sicht. Nur Lebensläufe für den Bewährungsaufstieg.
Das reicht nicht.